Albtraum Autounfall
Was tue ich und wie verhalte ich mich richtig
Ein unachtsamer Moment reicht bereits aus und schon kracht es auf der Straße. Ob nun ein Auffahrunfall, ein übersehener Radfahrer oder gar ein kapitaler Crash auf regennasser Fahrbahn. Vor Verkehrsunfällen graut es jedem Fahrzeuglenker.
Aber keine Angst, mit dem richtigen Verhalten kommen Sie gut durch diese unangenehme Situation. Also, was habe ich immer zu tun? Wann muss ich die Polizei benachrichtigen? Und wie funktioniert die Meldung bei der Versicherung?
Bild: Adobe Stock, New-Africa
Mehr als 2,2 Millionen Verkehrsunfälle im Jahr 2020
Bedingt durch die Corona-Pandemie hat der Straßenverkehr im Jahr 2020 etwas nachgelassen. Dementsprechend ist auch die Zahl der Verkehrsunfälle laut Angaben des ADAC deutlich zurückgegangen. Ebenfalls verringert hat sich auch dank sichererer Fahrzeuge die Zahl der Verkehrstoten.
Im Vergleich zum Jahr 2019 liegt der Rückgang bei beachtlichen 8,7 Prozent auf 2.780. Die Zahl der Verkehrsunfälle ging sogar noch deutlicher zurück. Der ADAC geht von rund 2,27 Millionen polizeilich erfassten Unfällen im vergangenen Jahr aus, was einem Rückgang von 15,5 Prozent entspricht. Bei 268.000 davon kam es zu schwereren Verletzungen. Beim Rest blieb es bei Blechschäden oder leichten Blessuren.
Jeder Deutsche hat in seinem Leben mehrere Verkehrsunfälle
Ein Verkehrsunfall ist und bleibt dabei der Albtraum aller Autofahrer. Immerhin sagt uns die Statistik, dass jeder Einwohner Deutschlands vom Baby bis zum Greis ungefähr alle 36 Jahre an einem Verkehrsunfall beteiligt ist. Das sind bei der aktuellen Lebenserwartung von 81 Jahren etwa 2,25 Unfälle.
Berücksichtigen wir jetzt noch, dass einige Gruppen ein deutlich höheres Risiko haben, verdoppelt sich die statistische Anzahl im Durchschnitt beinahe. Glücklicherweise handelt es sich bei den meisten Fällen jedoch um harmlose Geschichten wie Parkunfälle oder leichte Auffahrunfälle. Nichtsdestotrotz ist bei jedem Unfall umsichtiges und richtiges Handeln gefragt. Schließlich geht es bei modernen Fahrzeugen selbst bei Blechschäden schon um hohe Summen.
Wie verhalte ich mich richtig: Die 5 Goldenen Schritte
Unabhängig davon, was für eine Art von Verkehrsunfall mit einem Fahrzeug passiert, gibt es ein Handlungsschema. Wer nach diesem Schema handelt, kann bei einem Unfall gar nichts falsch machen. Und das unabhängig davon, ob Sie selbst direkt am Unfall beteiligt sind, diesen als Zeuge beobachtet haben oder nur nachträglich an eine Unfallstelle kommen. Sind Sie selbst schwerer betroffen, entfallen offensichtlicherweise einige der „5 Goldenen Schritte“.
- Unfallstelle absichern
- Gegebenenfalls Notruf absetzen und Erste Hilfe leisten
- Polizei benachrichtigen
- Unfalldokumentation erstellen
- Unfall der Versicherung melden
Schritt 1 – Die Unfallstelle absichern
Passiert ein Unfall – egal welcher Art – verpflichtet Sie die Straßenverkehrsordnung dazu, die Unfallstelle angemessen abzusichern. Jedenfalls dann, wenn Sie selbst noch dazu in der Lage sind. Das regelt § 34 StVO. Welche Maßnahmen Sie ergreifen müssen, hängt davon ab, wo sich der Unfall ereignet hat. Schließlich sind innerorts andere Maßnahmen nötig als auf der Landstraße oder Autobahn, wo deutlich höhere Geschwindigkeiten gefahren werden. Unabhängig vom Unfallort sind die sogenannten drei W’s immer zu berücksichtigen: Warnblinker, Warnweste und Warndreieck.
Vorgehen: Unfall auf der Landstraße oder innerorts
- Schalten Sie zunächst den Warnblinker ein.
- Ziehen Sie die Warnweste über (Achtung: für jeden Sitzplatz muss eine Warnweste im Fahrzeug vorhanden sein).
- Steigen Sie unter Beachtung des fließenden Verkehrs aus.
- Stellen Sie das Warndreieck mindestens 50 Meter (innerorts) bzw. 100 Meter (außerorts) vor der Unfallstelle auf. Befinden sich innerhalb dieses Weges Hindernisse wie Kurven oder Kuppen, muss das Warndreieck 50 100 Meter vor dem Sichthindernis aufgestellt werden.
- Bringen Sie sich auf dem Gehweg bzw. hinter der Leitplanke in Sicherheit. Bleiben Sie niemals im Fahrzeug sitzen.
Vorgehen: Unfall auf der Autobahn
- Halten Sie nach Möglichkeit auf dem Standstreifen an.
- Schalten Sie den Warnblinker ein.
- Ziehen Sie die Warnweste über.
- Verlassen Sie das Fahrzeug nach Möglichkeit über die Beifahrerseite.
- Stellen Sie das Warndreieck bestenfalls 400 Meter entfernt auf dem Standstreifen auf.
- Laufen Sie ausschließlich hinter der Leitplanke und überqueren Sie auf keinen Fall die Fahrbahn.
Und was tue ich, wenn ich nicht mehr auf den Standstreifen komme?
Handelt es sich um einen schwereren Unfall insbesondere auf der mittleren oder linken Spur ist zusätzliche Vorsicht geboten. Verlassen Sie unter Beachtung des Verkehrs nach dem Einschalten der Warnblinkanlage möglichst schnell das Fahrzeug. Bringen Sie sich auf dem Grünstreifen in der Mitte in Sicherheit und überqueren Sie keine weiteren Fahrbahnen.
Auch das Warndreieck bleibt im Kofferraum. Gehen Sie dem fließenden Verkehr auf mindestens 200 Metern entgegen und warnen Sie diesen. Setzen Sie gleichzeitig einen Notruf bei der Polizei ab. Diese sichert im Anschluss die Unfallstelle, sodass für Sie und den Verkehr keine weitere Gefahr besteht.
Schritt 2: Notruf absetzen und Erste Hilfe leisten
Gibt es Verletzte, die Ihre Hilfe benötigen? Diese Frage müssen Sie sich bei jedem Unfall stellen, an dem Sie beteiligt sind bzw. den Sie sehen. Stellt sich die Lage offensichtlich schwerwiegender dar, setzen Sie bitte zunächst einen Notruf (112) ab. Erst dann erkunden Sie selbst die Lage.
Bei leichten Blechschäden können Sie in umgekehrter Reihenfolge vorgehen. Der Gesetzgeber verpflichtet Sie dazu, Erste Hilfe zu leisten, sofern dies nötig ist. Welche Maßnahmen hierbei genau auszuführen sind, finden Sie in ausführlichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen beispielsweise auf den Seiten großer Automobilclubs wie dem ADAC.
Schritt 3: Die Polizei informieren
Wann muss ich eigentlich die Polizei zu einem Unfall hinzurufen? Die Antwort „immer“ ist nämlich falsch. In vielen Fällen ist es beispielsweise gar nicht nötig, die Ordnungshüter zu informieren. Bei geringfügigen Schäden oder einer absolut klaren Lage mit Einigkeit aller Beteiligten ist dies nicht zwingend nötig. Trifft eine der folgenden Voraussetzungen zu, führt allerdings kein Weg um einen Anruf bei der Polizei herum:
- Es gibt verletzte Personen. Hierzu zählen auch leichte oder zunächst nicht offensichtliche Verletzungen wie Kopfschmerzen. Immerhin könnten diese ein Anzeichen für schwerwiegendere Verletzungsmuster sein.
- Beim Unfall ist ein hoher Sachschaden entstanden. Bei Fahrzeugen neueren Baujahres ist das oft schon bei kleineren Auffahrunfällen der Fall.
- Die Unfallstelle ist so gelegen, dass Sie diese mit den Bordmitteln Ihres Fahrzeugs nicht adäquat absichern können (zum Beispiel auf dem Mittelstreifen der Autobahn).
- Ist die Schuldfrage ungeklärt oder bestehen zwischen den Beteiligten Streitigkeiten, ist das Auftreten der Ordnungsmacht zur Beweissicherung dringend nötig.
- Wurde eine Straftat begangen oder besteht der Verdacht auf eine Straftat? Das ist dann der Fall, wenn ein Unfallbeteiligter Fahrerflucht begangen hat oder womöglich Alkohol bzw. Drogen im Spiel sind.
Schritt 4: Unfalldokumentation erstellen
Um das Unfallgeschehen im Nachhinein lückenlos aufklären, die Schuldfrage regeln und die Versicherungsangelegenheiten abwickeln zu können, ist eine genaue Unfalldokumentation Pflicht. Selbst dann, wenn die Polizei den Unfall aufnimmt, macht es Sinn, dass auch Sie selbst eine Unfalldokumentation anfertigen.
Wird die Polizei bei einem Bagatellschaden nicht hinzugerufen, sollen Sie sich mindestens die Kennzeichen aller beteiligten Fahrzeuge, Namen und Anschriften von Beteiligten, Fahrern, Verletzten und Zeugen sowie die Versicherungsnummern notieren. Idealerweise fotografieren Sie alle Schäden an den Fahrzeugen sowie Bremsspuren und auslaufende Flüssigkeiten.
Tipp: Noch besser ist eine Unfallskizze
Der Unfallhergang lässt sich auch gegenüber einer Versicherung am besten mittels einer Skizze darlegen. Zeichnen Sie alles so genau wie möglich ein. Dazu gehört neben dem Straßenverlauf auch die exakte Position aller beteiligten Fahrzeuge. Auch Straßenschilder, die Position von Augenzeugen sowie Hindernisse (zum Beispiel Bäume) oder Fußgänger gehören in die Skizze.
Schritt 5: Unfall der Versicherung melden
Der letzte Schritt bei einem Unfall ist die Meldung an die Versicherung. Sind Sie der Unfallverursacher, müssen Sie den Unfall Ihrer KFZ-Haftpflichtversicherung melden. Das funktioniert entweder über die Schadens-Hotline des Versicherers oder über ein bereitgestelltes Online-Formular.
Als Geschädigter melden Sie sich bei der KFZ-Haftpflichtversicherung Ihres Unfallgegners. Haben Sie nur dessen Kennzeichen aber nicht den Namen des Versicherers, melden Sie sich einfach beim Zentralruf der Autoversicherer unter 0800 / 250 260-0.
Muss ich nach einem Unfall einen KFZ-Gutachter bestellen?
Was früher nur ein Blechschaden war, ist heute beinahe ein wirtschaftlicher Totalschaden. Das haben moderne Fahrzeuge leider so an sich. Umso wichtiger ist es, dass die Schadenshöhe korrekt festgestellt wird. Davon hängt ab, welche Entschädigung Sie erhalten, wenn Sie unverschuldet in einen Unfall geraten. Am zuverlässigsten funktioniert das mit einem unabhängigen Unfallgutachter.
Allerdings sollten Sie bedenken, dass auch hier Kosten entstehen, die Sie je nach Lage des Falls selbst tragen müssen. Bei Eigenverschulden etwa zahlen Sie die Kosten für einen selbst beauftragten Gutachter selbst. Lediglich das durch Ihre Versicherung beauftragte Gutachten wäre kostenfrei.
Generell gilt: Hält Ihre Versicherung die Beauftragung eines unabhängigen Gutachters für überflüssig, zahlen Sie das Gutachten aus eigener Tasche. Tragen Sie dagegen keinerlei Schuld an dem Unfall, kommt die KFZ-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners für die Gutachterkosten auf. Bei einer Teilschuld werden die Kosten aufgeteilt.
Welche Ansprüche habe ich als Unfallgeschädigter?
Ein Verkehrsunfall mag für Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr Alltag sein. Für die Unfallbeteiligten handelt es sich jedoch um eine Ausnahmesituation. Eine Situation, in der vor allem Geschädigte häufig vergessen, ihre Rechte geltend zu machen. Aber welche Ansprüche sind das genau?
- Bestehen nach einem Unfall Schmerzen, sollten Sie sich so schnell wie möglich untersuchen lassen. So können Verletzungen dokumentiert werden. Das dient einerseits der Berechnung eines möglichen Schmerzensgeldes und andererseits einem Nachweis für eine spätere Einschränkung der Erwerbsfähigkeit bzw. zur Kalkulation des Verdienstausfalls. Auch als Ansatzpunkt für die Unfallversicherung ist der Gang zum Arzt obligatorisch. Das gilt vor allem für Fälle, in denen ein Unfall ohne direkten Unfallgegner vorliegt.
- Fällt Ihr Fahrzeug wegen einer Reparatur oder eines Totalschadens aus, haben Sie Anspruch auf einen Mietwagen. Die entstehenden Kosten trägt der Unfallgegner bzw. dessen Versicherung. Möchten Sie keinen Mietwagen, können Sie sich den „Nutzungsausfall“ erstatten lassen.
- Hat Ihr Fahrzeug einen Totalschaden erlitten, muss der Unfallgegner auch die Kosten für die Abmeldung des Fahrzeugs sowie für die Entsorgung tragen.
- Sind Sie der Unfallgeschädigte, haben Sie immer Anspruch auf einen Anwalt, der Sie in der Sache vertritt. Die Kosten trägt ebenfalls der Unfallgegner.
- Gleiches gilt für die Beauftragung eines unabhängigen Gutachters, sofern Sie keinerlei Mitschuld am Unfallgeschehen tragen.
- Ist Ihr Fahrzeug auch ohne Reparatur noch fahrtüchtig? Dann können Sie sich die Reparaturkosten von der Versicherung des Unfallgegners auch auszahlen lassen. Auch den Schaden müssen Sie nicht zwingend reparieren lassen. Das Geld ist damit auch anderweitig verwendbar. Anders sieht es aus, wenn es sich um ein Leasingfahrzeug handelt. Hier sind Sie als Leasingnehmer zur Reparatur verpflichtet.
Hätten Sie es gewusst? – Freie Werkstattwahl
Die Versicherung des Unfallgegners macht Ihnen in der Regel einen Vorschlag zur Werkstattauswahl. Darauf müssen Sie jedoch nicht eingehen. Sie können Ihr Fahrzeug immer in der Werkstatt Ihres Vertrauens reparieren lassen.