Pflegegrad 2: Das müssen Sie zu Leistungen und Voraussetzungen wissen
Wir haben eine gute Nachricht für Sie: Die Lebenserwartung in Deutschland steigt. Damit aber noch nicht genug, denn immer mehr Menschen werden immer gesünder älter. Dennoch steigt das Risiko für eine Pflegebedürftigkeit spätestens ab dem 80. Lebensjahr sprunghaft an.
Seit der Pflegereform zum 1. Januar 2017 sorgt die Umstellung von den drei bisherigen Pflegegraden auf nun fünf Pflegestufen dafür, dass Betroffene mehr Unterstützung erhalten. Werfen wir einen Blick auf den neuen Pflegegrad 2. Welche Voraussetzungen müssen Sie dafür erfüllen? Und welche Leistungen stehen Ihnen zu?
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Was bedeutet Pflegegrad 2?
Die neuen Pflegegrade sind aus den ursprünglichen Pflegestufen hervorgegangen. Während der Pflegegrad 1 komplett neu geschaffen wurde, ist die Basis des Pflegegrades 2 die ehemalige Pflegestufe 1. Der Erhalt des Pflegegrades 2 ist gleichzusetzen mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit, die umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen notwendig macht.
Um diesen Pflegegrad zu erhalten, müssen Selbstständigkeit und Alltagskompetenz der betroffenen Person entweder durch körperliche oder geistige Einschränkungen deutlich verringert sein (§ 15 SGB XI). Um die Leistungen dieses Pflegegrades zu erhalten, ist ein offizielles Gutachten notwendig.
Bei gesetzlich Versicherten führt dies ein Gutachter des medizinischen Dienstes der Krankenkassen MDK durch. Sind Sie dagegen privatversichert, übernimmt ein Gutachter des Unternehmens MEDICPROOF diese Aufgabe. Grundlage für die Einschätzung ist ein Fragenkatalog, durch den die Selbstständigkeit im Alltag objektiv beurteilt wird.
Ausschlaggebend sind die im jeweiligen Gutachten erreichten Punkte. Um den Pflegegrad 2 und damit zum Beispiel Anspruch auf Pflegegeld zu erhalten, ist eine Gesamtpunktzahl von 27 bis 47,5 Punkten notwendig.
Achtung: Große Unterschiede zwischen Pflegegrad 1 und 2!
In der Praxis kommt es im Rahmen des Gutachtens auf jeden Punkt an. Was die Leistungen angeht, sind die Unterschiede zwischen Pflegegrad 1 und Pflegegrad 2 nämlich enorm. Während Sie in Pflegegrad 2 auf alle Leistungen des Pflegepakets Anspruch haben, ist der Leistungsanspruch in Pflegegrad 1 deutlich eingeschränkt.
Pflegegeld oder eine Kostenübernahme für die Kurzzeitpflege gibt es erst ab Pflegegrad 2. Gerade wenn es im Gutachten knapp wird, macht es Sinn, Widerspruch gegen den Pflegebescheid einzulegen.
Diese Voraussetzungen müssen Sie für Pflegegrad 2 erfüllen
Viele Menschen gehen davon aus, dass das Alter ein entscheidender Faktor beim Anspruch auf Pflegeleistungen ist. Das ist nicht der Fall. Voraussetzung für die Eingruppierung in einen der fünf Pflegegrade sind ausschließlich der gesundheitliche und geistige Zustand.
Zur objektiven Prüfung dient den Gutachtern das sogenannte „Neue Begutachtungsassessment“ (NBA). Dieses besteht aus den sechs Modulen Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Fähigkeit zur Selbstversorgung, selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen sowie Gestaltung sozialer Kontakte und des Alltagslebens.
Diese Bereiche wiederum umfassen bis zu 16 Beurteilungskriterien zur Bewertung der Alltagskompetenz einer Person. Entsprechend ihrer Bedeutung werden die in jedem Modul erzielten Punkte gewichtet und in eine Gesamtbewertung gegossen.
Modul | Beschreibung | Gewichtung |
Mobilität | In welchem Maße kann sich eine Person selbstständig in ihrem Alltag bewegen? Das Beurteilungsspektrum reicht vom Treppensteigen über das freie Stehen bis hin zum eigenständigen Stehen. | 10 % |
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten | Ist die begutachtete Person dazu in der Lage, selbstständig Entscheidungen zu treffen, ihre Bedürfnisse mitzuteilen, sich örtlich und zeitlich zu orientieren oder zielgerichtet Gespräche führen? | 7,5 % |
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen | Hat die Person Wahnvorstellungen oder benötigt sie Hilfe wegen psychischer Probleme? Zeigt die betroffene Person aggressives, ängstliches oder anderweitig auffälliges Verhalten? | 7,5 % |
Fähigkeit zur Selbstversorgung | Wie steht es um die Fähigkeiten eines selbstständigen Lebens? Kann sich die Person noch selbst adäquat ernähren, sich pflegen und der Körperhygiene nachgehen? | 40 % |
Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen | Benötigt die zu begutachtende Person durch eine Erkrankung Hilfe, zum Beispiel wegen einer regelmäßigen Dialyse, Verbandswechseln oder sonstigen Therapien? | 20 % |
Gestaltung sozialer Kontakte und des Alltagslebens | Pflegt der Begutachtete noch selbstständig persönliche Sozialkontakte? Kann die Person ihren Tagesablauf selbstständig planen? | 15 % |
Darum lohnt sich ein Widerspruch gegen den Pflegebescheid
Annähernd jeder dritte Antrag auf die Erteilung eines bestimmten Pflegegrades wird von den Rentenkassen beim Erstantrag abgelehnt. Das müssen Sie so nicht akzeptieren, denn oft genug ist die Ablehnung nicht gerechtfertigt. Meist lohnt sich ein Widerspruch. Insbesondere dann, wenn nur wenige Punkte bis zum Erreichen des angestrebten Pflegegrades fehlen.
Die Ursachen für Fehleinstufungen und abgelehnte Anträge sind vielfältig. In einigen Fällen sind es Formfehler seitens der Pflegekassen oder Gutachter. Deutlich häufiger liegt die Ursache jedoch im Verhalten des Begutachteten oder der Vorbereitung auf das Gutachten. Manchmal fehlen einfach auch Unterlagen.
In anderen Fällen wiederum versuchen sich die Betroffenen gegenüber dem Gutachter in Sachen Selbstständigkeit von ihrer Schokoladenseite zu präsentieren. Wer möchte schon offen zeigen, dass er selbst in seinem Alltag nicht mehr allein klarkommt?
Das aber ist ein großer Fehler. Kein Wunder, dass das Gutachten des MDK in einem solchen Fall anders ausfällt als gedacht. Umso wichtiger ist neben einer gründlichen Vorbereitung auf das Erstgutachten auch der Widerspruch gegen einen abgelehnten Pflegegrad.
Punkte für die Pflegegradeinstufung
Pflegegrad | Punkte |
Pflegegrad 1 | 12,5 bis unter 27 Punkte |
Pflegegrad 2 | 27 bis unter 47,5 Punkte |
Pflegegrad 3 | 47,5 bis unter 70 Punkte |
Pflegegrad 4 | 70 bis unter 90 Punkte |
Pflegegrad 5 | 90 bis 100 Punkte |
Diese Leistungen stehen Ihnen im Pflegegrad 2 zu
Der Unterschied zwischen dem Pflegegrad 1 und dem Pflegegrad 2 ist für Betroffene ein großer Sprung. Schon ein halber Punkt im MDK-Gutachten kann den Unterschied zwischen eingeschränkten Pflegeleistungen und dem vollen Leistungsspektrum ausmachen. Folgende Leistungen stehen Ihnen mit einem anerkannten Pflegegrad 2 zu:
1. Betreuungs- und Entlastungsleistungen
In allen fünf Pflegegraden steht Ihnen ein Zuschuss zu Betreuungs- und Entlastungsleistungen zu. Darunter fallen Dienstleistungen, die der zu pflegenden Person ihren Alltag erleichtern. Typische Beispiele sind das Beschäftigen einer Haushaltshilfe, einer Putzkraft oder die Inanspruchnahme einer Einkaufshilfe sowie einer Begleitung für Spaziergänge. Insgesamt liegt der Zuschuss bei 125 Euro monatlich.
2. Pflegehilfsmittel (Verbrauchsmittel)
Selbst einfache Pflegehilfsmittel wie Inkontinenzunterlagen, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel gehen auf die Dauer ins Geld. Aus diesem Grund gewähren die Pflegekassen Personen mit einem anerkannten Pflegegrad 2 einen monatlichen Pauschalzuschuss in Höhe von 40 Euro für solche Verbrauchsmittel. Hinzu kommt eine Förderung für den Sicherheit stiftenden Hausnotruf. Hier beteiligt sich die Pflegekasse mit bis zu 23 Euro pro Monat an den laufenden Kosten.
3. Wohngruppenzuschuss
Sogenannte Senioren-WGs liegen derzeit voll im Trend. Das verwundert wenig, denn durch die gegenseitige Unterstützung im Alltag kann jeder für sich selbst genommen möglichst lang ein selbstbestimmtes Leben führen. Dementsprechend fördern die Pflegekassen auch solche Wohngemeinschaften mit hohen Zuschüssen.
Wer eine anerkannte Pflegestufe 2 vorweisen kann, bekommt für die Einrichtung einer Wohngruppe einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 2.500 Euro. Zudem besteht der Anspruch auf einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 214 Euro für die Beschäftigung einer Organisationskraft.
Tipp:
Beide Zuschüsse gelten pro Person und für bis zu vier Personen pro Wohngruppe. Schließen sich also vier Personen zu einer Wohngemeinschaft zusammen, stehen neben einem Wohngruppenzuschuss von 10.000 Euro auch Zuschüsse in Höhe von 856 Euro pro Monat für die Beschäftigung einer Organisationskraft zur Verfügung. Wichtig ist jedoch, dass diese Organisationskraft keinerlei pflegerische Tätigkeiten ausüben darf.
4. Wohnraumanpassung
Ein wichtiger Bestandteil des Leistungspakets von Pflegegrad 2 ist der Zuschuss zur Anpassung des Wohnraums. In vielen Fällen ist das eigenständige Wohnen in den eigenen vier Wänden nämlich nur dann noch möglich, wenn dieser durch einen Treppenlift, eine neue Küche, breitere Türen oder ein barrierefreies Badezimmer angepasst wurde. Die hohen Kosten müssen Sie mit einem anerkannten Pflegegrad 2 nicht allein tragen.
Die Pflegekasse leistet hier einen einmaligen Zuschuss von bis zu 4.000 Euro. Auch hier gilt die Wohngruppenregelung. Damit kann eine Seniorenwohngruppe, in der alle Bewohner einen anerkannten Pflegegrad haben, bis zu 16.000 Euro für den Umbau von der Pflegekasse bekommen.
Tipp: Sollte sich die Pflegebedürftigkeit nach einer Zeit erhöhen, ist eine erneute Prüfung möglich, ob Ihnen der Zuschuss nochmals zusteht.
5. Pflegegeld
Pflegegeld ist ein elementarer Bestandteil der Pflegefürsorge. Dieses gibt es allerdings erst ab dem Pflegegrad 2, sofern der Pflegebedürftige durch einen Angehörigen zu Hause gepflegt wird. Das Pflegegeld beträgt bei einem anerkannten Pflegegrad 2 monatlich 316 Euro.
6. Pflegesachleistungen
Zu den Pflegesachleistungen gehören Tätigkeiten der häuslichen Pflege und nicht etwa materielle Dinge. Im Pflegegrad 2 erhalten Pflegebedürftige hier monatlich 689 Euro zugesprochen. In die Kategorie der Pflegesachleistungen fallen unter anderem pflegerische Hilfen für die Grundpflege, die Ernährung, die Bewegung, die hauswirtschaftliche Versorgung sowie die Körperpflege. In der Regel erfolgt die Abrechnung direkt mit dem Dienstleister – zum Beispiel einem ambulanten Pflegedienst.
7. Tages- und Nachtpflege
Bei der Tages- und Nachtpflege handelt es sich um eine Form der teilstationären Pflege. In Anspruch genommen wird diese Pflegeform immer dann, wenn die häusliche Pflege nicht vollumfänglich gegeben ist. Häufig kommen Tages- und Nachtpflege auch ergänzend zur häuslichen Pflege zum Einsatz.
Zum Gesamtpaket gehört auch der Transport des Pflegebedürftigen von der Haustür zur Pflegeeinrichtung und zurück. Mit einem Pflegegrad 2 erstattet die Pflegekasse für die teilstationäre Tages- und Nachtpflege monatlich 689 Euro.
8. Kurzzeitpflege
Unter Kurzzeitpflege versteht man die kurzfristige Pflege eines Pflegebedürftigen, beispielsweise nach dem Aufenthalt im Krankenhaus. Für die Unterbringung in einer professionellen Pflegeeinrichtung zahlt die Pflegekasse mit Pflegegrad 2 einen jährlichen Zuschuss von maximal 1.612 Euro. Dieser Zuschuss gilt für die Unterbringung im Rahmen von bis zu vier Wochen.
Gut zu wissen:
Während Sie Leistungen der Kurzzeitpflege erhalten, haben Sie weiterhin Anspruch auf die Hälfte des regulären Pflegegeldes. In Pflegestufe 2 sind dies dann 158 Euro pro Monat.
9. Verhinderungspflege
Die Belastung von pflegenden Angehörigen ist groß. Auch sie sind einmal krank oder müssen Urlaub nehmen, um sich zu erholen. Damit pflegebedürftige Personen trotzdem bestens betreut sind, zahlt die Pflegekasse einen Zuschuss in Höhe von bis zu 1.612 Euro jährlich für die professionelle Unterbringung. Die Verhinderungspflege ist für bis zu 28 Tage pro Jahr nutzbar.
10. Vollstationäre Pflege
Vollstationäre Pflege meint die dauerhafte Unterbringung eines Pflegebedürftigen in einer klassischen Pflegeeinrichtung. Diese Form der Pflege ist die intensivste und damit auch die kostenintensivste. Personen mit einem Pflegegrad 2, die in einer stationären Einrichtung gepflegt werden, bekommen monatlich 770 Euro.
Aber Achtung: Unabhängig vom erteilten Pflegegrad muss jeder Bewohner einer Pflegeeinrichtung einen Eigenanteil entrichten. Damit reicht auch der Zuschuss für die vollstationäre Pflege nicht aus, um die Gesamtkosten zu decken.
11. Kostenfreie Beratungen und Beratungsbesuche
Der Pflegekosmos ist komplex. Das gilt sowohl für die Pflegeleistungen der Pflegekasse als auch für die Pflegestrategie an sich. Insbesondere Angehörige, die sich selbst dieser Aufgabe annehmen, haben einen hohen Beratungsbedarf.
Für Pflegebedürftige gilt dies ebenfalls. Um möglichst allen Pflegebedürftigen die bestmögliche Betreuung zukommen zu lassen, ist ein vorhandener Pflegegrad mit kostenfreien Beratungsangeboten gekoppelt.
Geldleistungen und Sachleistungen einfach kombinieren
Es ist auch möglich, Geldleistungen und Sachleistungen (Pflegegeld und Pflegesachleistungen) zu kombinieren. Übernimmt etwa der ambulante Pflegedienst die Pflege anstelle von Angehörigen komplett, kann das Pflegegeld teilweise als Pflegesachleistung angerechnet werden, um die Kosten zu decken. Der Pflegegeldanspruch reduziert sich dementsprechend.
Pflegegrad 2: Leistungen im Überblick
Leistung | Leistungshöhe | Leistungshäufigkeit |
Betreuungs- und Entlastungsleistungen | 125 Euro | monatlich |
Pflegehilfsmittel | 40 Euro | monatlich |
Wohngruppenzuschuss | 2.500 Euro | einmalig |
Wohnraumanpassung | 4.000 Euro | Einmalig |
Kostenfreie Beratungen und Beratungsbesuche | – | – |
Pflegegeld | 316 Euro | monatlich |
Pflegesachleistungen | 689 Euro | monatlich |
Tages- und Nachtpflege | 689 Euro | monatlich |
Kurzzeitpflege | 1.612 Euro | jährlich |
Verhinderungspflege | 1.612 Euro | jährlich |
Vollstationäre Pflege | 770 Euro | monatlich |
Mit einer Zusatzversicherung Leistungslücken stopfen
Schon mit einem Pflegegrad 2 stehen Pflegebedürftige deutlich besser da als mit einem Pflegegrad 1. Nichtsdestotrotz reichen die Leistungen der gesetzlichen Pflegekasse trotzdem nicht aus, um die tatsächlichen Kosten zu decken. Am häufigsten ist das im Bereich der vollstationären Pflege der Fall. Schließlich muss jeder Pflegebedürftige hier einen Eigenanteil leisten.
Auf die Dauer kann das enorm teuer werden. Schnell sind die Lebensersparnisse für die Pflegekosten dahingeschmolzen. Im äußersten Fall müssen sich sogar die Kinder im Rahmen ihrer Möglichkeiten an den Kosten beteiligen.
Mit einer privaten Pflegezusatzversicherung schützen Sie Ihr eigenes Vermögen und das Vermögen Ihrer Kinder und profitieren dennoch von hohen Pflegeleistungen. So abgesichert können Sie entspannt in die Zukunft schauen.