Das Mehrgenerationenhaus
Ein Modell für die Zukunft?
Früher war das Zusammenleben in der Familie klar geregelt. Alle Generationen einer Familie lebten unter einem Dach. Arbeitstätige Eltern sorgten für ihre Kinder sowie für ihre Eltern. Konnten diese nicht mehr arbeiten oder benötigten Hilfe, sprang die junge Generation ein.
So oder so ähnlich funktionierte das Altersvorsorgekonzept über Jahrhunderte. Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts hatte dieses Konzept jedoch ausgedient. Mittlerweile jedoch scheint das Mehrgenerationenwohnen unter einem Dach eine kleine Renaissance zu feiern. Grund genug also, die Thematik genauer zu beleuchten.
Immerhin bietet das System einige handfeste Vorteile und könnte einen Teil des Versorgungsproblems im Alter lösen. Also, ist das Mehrgenerationenhaus ein wiederentdecktes Modell für die Zukunft oder doch ein Auslaufmodell?
Bildquelle: Adobe Stock / zinkevych
Alle unter einem Dach – Was ist ein Mehrgenerationenhaus?
Das Mehrgenerationenwohnen ist das wohl älteste Wohnkonzept der Menschheit, das vor allem in unseren Industrienationen in Vergessenheit geraten ist. Durch steigenden Wohlstand und die umfangreichen Möglichkeiten zur Altersvorsorge war es schlicht nicht mehr notwendig, mit der gesamten Familie in einem Haushalt zu leben, um als Elterngeneration im Alter von den Kindern versorgt zu werden.
Beim Mehrgenerationenwohnen wohnen also gleich mehrere Generationen unter einem Dach. Das jedenfalls ist die klassische Variante des Mehrgenerationenwohnens, die in einer privaten Immobilie stattfindet.
Diese Wohnimmobilie wird erworben und anschließend von mehreren Generationen bewohnt. Alternativ können sich in einem solchen Haus auch die Generationen verschiedener Familien zusammenfinden. In der Praxis etwa ziehen alleinstehende Senioren häufig in eine freie Einliegerwohnung eines jüngeres Paares mit Kindern.
Die alternative Definition des Mehrgenerationenhauses als Begegnungsstätte
Abgesehen davon existieren in Deutschland bereits über 500 öffentliche Mehrgenerationenhäuser, bei denen es nicht um das gemeinsame Wohnen geht. Vielmehr handelt es sich in diesen Fällen um Begegnungsstätten, die das aktive Miteinander der Generationen fördern und Platz für gemeinsame Aktivitäten schaffen sollen.
Angebote wie Mittagessen, Betreuungsangebote für Kinder und Pflegebedürftige, Weiterbildungskurse sowie Hobbymöglichkeiten erzeugen so etwas wie ein „Mehrgenerationen-Kulturzentrum“. Geführt werden solche Mehrgenerationenhäuser durch festangestellte sowie freiwillige Helfer. Wir wollen uns im Folgenden allerdings um das klassische Mehrgenerationenwohnen im privaten Kontext kümmern.
Auf einen Blick: Diese Vorteile bietet ein Mehrgenerationenhaus
Man könnte das Mehrgenerationenhaus als Stein gewordenes Lebensprojekt bezeichnen, das organisch von Generation zu Generation weitergegeben wird. Dieses Konzept birgt dabei gegenüber dem Konzept der getrennten Haushalte jeder Generation einige deutliche Vorteile:
- Integration von Senioren in den Alltag
Einsamkeit ist eines der großen Probleme von Senioren. Mit dem Alter ziehen sich viele Menschen zurück und verlieren dadurch die Integration in das soziale Leben. Das wiederum trägt zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustands bei. Durch den Umzug in ein Mehrgenerationenhaus sind ältere Menschen wieder voll in den Alltag integriert.
Damit kehrt auch das Gefühl, gebraucht zu werden, ins Leben zurück, was so manchen Senioren wieder aufblühen lässt. Auch das Prinzip des voneinander Lernens nimmt so wieder ein höheres Gewicht ein. Ganz nach dem Muster: Die Jungen lernen von den Alten, die Alten lernen von den Jungen. - Eigenständigkeit jeder Generation
Auch wenn in einem Mehrgenerationenhaus zwei bis drei Generationen unter einem Dach leben, bleiben alle prinzipiell eigenständig. Jede Partei hat in einem Haus, das in mehrere Wohneinheiten aufgeteilt ihr, ihren abgeschlossenen Rückzugsort. Ideal also, um Ruhe zu finden und unnötige Konflikte zu vermeiden.
Besonders wertvoll ist diese Eigenständigkeit für ältere Menschen, die in geringem Maß (oder nur in bestimmten Situationen) auf Hilfe angewiesen sind. Diese Hilfe kann problemlos von der jüngere Generation abgedeckt werden. - Gegenseitige Unterstützung
Der wohl größte Win-win-Pluspunkt des Mehrgenerationenhauses ist die gegenseitige Unterstützung im Alltag. Davon profitieren alle beteiligten Generationen in verschiedenen Lebenssituationen. Während die Jungen für die Großeltern einkaufen, beim Hausputz unterstützen oder schwere Arbeiten übernehmen, können diese im Gegenzug während des Arbeitstages die Kinder hüten oder diesen bei den Hausaufgaben helfen.
Aber auch für Tierhalter ist ein solches Modell interessant. Immerhin ist in einem Mehrgenerationenhaushalt mit zwei oder drei Generationen beinahe immer jemand zu Hause, der sich um den Familienhund kümmern und mit diesem eine Runde gehen kann. Unter dem Strich wird das Leben damit für alle Generationen einfacher – ein gewisses Maß an Planung und Kommunikation vorausgesetzt. - Kostentechnische Win-win-Situation
Jeder erinnert sich daran, wie die eigenen Lebenshaltungskosten nach dem Auszug aus dem Elternhaus explodiert sind. Klarer Fall: Ein eigener Haushalt sorgt beinahe für verdoppelte Kosten. Dementsprechend ist das Mehrgenerationenhaus, in dem zwei oder drei Generationen in mehreren Wohneinheiten leben, auch wirtschaftlich sinnvoll.
Immerhin können viele Kosten wie Müllgebühren, die Haushypothek, Abwassergebühren, Strom, Gas, Internetanschluss und Co. durch mehrere Parteien geteilt werden. Wird die Immobilie gänzlich neu errichtet, verteilt sich die Last der Kosten ebenfalls auf mehrere Schultern. Gleichzeitig sorgt die Beteiligung mehrerer solventer Kreditnehmer für niedrigere Kreditzinsen oder die Möglichkeit für eine frühere Tilgung. - Möglichkeiten zur staatlichen Förderung
Für den Umbau eines Hauses sowie für den Neubau gewährt der Staat großzügige Zuschüsse und Programme. Allem voran stehen die Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Dabei profitieren Bauherren beispielsweise von zinsgünstigen Krediten sowie von Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen.
Wichtig für die Inanspruchnahme der Leistungen der KfW ist das Erfüllen von notwendigen Voraussetzungen wie etwa bestimmten Richtwerten für die Energieeffizienz. Da bei einem Mehrgenerationenhaus mehrere Parteien als Bauherren auftreten, können unter Umständen auch mehrere Personen für die Finanzierung die Förderprogramme der KfW in Anspruch nehmen.
Tipp: Besteht bereits ein Pflegegrad?
Häufig besteht für Senioren bereits ein Pflegegrad. Diesen können Sie sich auch bei der Einrichtung eines Mehrgenerationenhauses zunutze machen. Bereits ab Pflegegrad 1, der leichte Einschränkungen der Alltagskompetenz beschreibt, winkt ein Zuschuss von bis zu 4.000 Euro für die Wohnraumanpassung. Ein Anspruch besteht dann, wenn die Mittel zur Barrierereduzierung im Mehrgenerationenhaus verwendet werden.
Im Übrigen gilt dieser Zuschuss für die Wohnraumanpassung pro Person mit Pflegegrad. Ziehen also die beiden Großeltern mit jeweils Pflegegrad 1 mit in eine eigene Wohneinheit, winken bereits 8.000 Euro Zuschuss. Es kann sich also auch in dieser Hinsicht lohnen, bei der eigenen Krankenkasse einen Antrag auf einen Pflegegrad zu stellen.
Das Mehrgenerationenhaus hat nicht nur Vorteile
Wo Vorteile sind, da lassen auch die Nachteile nicht auf sich warten. Das ist leider auch beim Thema Mehrgenerationenhaus nicht anders. Auch wenn die räumliche Nähe ein großer Vorteil in Sachen Integration ins Alltagsleben und für die gegenseitige Hilfe ist, birgt sie eine Menge Konfliktpotenzial.
Dieses ergibt sich etwa aus der Aufgabenverteilung beim Zusammenleben oder durch die Vorliebe der Teenies, auch spät abends noch laute Musik zu hören, während die Großeltern in der Wohnung darunter schlafen möchten.
Ein weiteres Problem betrifft die Sandwich-Generation. In der Regel trifft es dabei die Elterngeneration jungen bzw. mittleren Alters, die sich parallel um die eigenen Kinder sowie um die Eltern kümmert. Infolge der Doppelbelastung kann es leicht dazu kommen, dass die Sandwich-Generation ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigt. Das geht auf Dauer nicht gut.
Der dritte wichtige Punkt, der sich negativ auswirkt, ist der Trugschluss, alles alleine schaffen zu können. Das betrifft in erster Linie die Pflege der älteren Generation. Häufig wird mit der Ausrede „wir leben in einem Mehrgenerationenhaus“ professionelle ambulante Pflege zu lange nicht in Anspruch genommen. Damit steigt abermals die Belastung und auch das Konfliktpotenzial.
TIPP
Auch in einem Mehrgenerationenhaus ist professionelle Hilfe im Bedarfsfall Gold wert. Eine private Pflegezusatzversicherung unterstützt Sie in dieser Situation und übernimmt zahlreiche Kosten, für die die gesetzliche Pflegeversicherung nicht aufkommt. Informieren Sie sich jetzt über die Vorteile der privaten Pflegezusatzversicherung von MAXCARE und lassen Sie sich von uns kostenfrei beraten.
Was Sie vor der Umsetzung des Konzepts unbedingt bedenken sollten
Konzepte planlos in die Tat umsetzen, ist in der Regel keine gute Idee. So muss auch das Wohnen im Mehrgenerationenhaus von Grund auf geplant werden. Hier sollten Sie sich Zeit lassen und sich über einige Punkte Gedanken machen:
- Bewohner: Wer soll überhaupt in das Mehrgenerationenhaus einziehen? Diese Frage ist entscheidend für alle weiteren Überlegungen. Wollen nur Sie gemeinsam mit den Großeltern mütterlicherseits einziehen oder soll das Projekt etwas größer ausfallen, indem gleich beide Großelternpaare sowie die erwachsenen Kinder ihre Zelte ebenfalls im Mehrgenerationenhaus aufschlagen? Möglich ist vieles – es will im Hinblick auf mögliche Interessen und Konflikte aber wohlüberlegt sein.
- Lage: Im Hinblick darauf, dass das Mehrgenerationenhaus für alle Generationen optimal „funktionieren“ und einen komfortablen Alltag ermöglichen muss, ist die Lage entscheidend. Diese sollte so gewählt sein, dass eine optimale infrastrukturelle Anbindung besteht. Das gilt für die Jüngeren zum Beispiel hinsichtlich Schulen, Internet und Sportmöglichkeiten. Um den älteren Generationen gerecht zu werden, sollten auch der Zugang zu Ärzten, Krankenhäusern und dem ÖPNV einfach gegeben sein.
- Immobilie: Sobald die Lage geklärt ist, stellt sich die Frage nach der Beschaffenheit der Wohnimmobilie. Besitzen Sie bereits eine potenziell geeignete Immobilie oder muss diese erst errichtet werden? Während eine Bestandsimmobile umgebaut werden muss, kann ein Neubau ideal auf die Bedürfnisse eines Mehrgenerationenhauses angepasst werden. So etwa durch eingeplante Barrierefreiheit oder das Schaffen von Gemeinschaftsräumen, die unabhängig von den getrennten Wohnräumen sind.
- Besitzverhältnisse: Auch die Besitzverhältnisse sind im Vorfeld zu klären. Besitzen Sie etwa bereits eine Immobilie, in der Sie eine Wohneinheit kostengünstig an eine „andere Generation“ vermieten möchten? Oder treten Sie mit Ihren Eltern und Ihren erwachsenen Kindern als gleichberechtigte Bauherren bzw. Immobilieneigentümer auf? Das Mietmodell etwa hat steuerliche Vorteile, da viele Kosten als Werbungskosten absetzbar sind. Allerdings ist der gemeinsame Besitz des „Mehrgenerationenhauses“ hinsichtlich einer Finanzierung häufig die cleverere Variante.
- Kosten: Im Vorfeld sind auch die Kosten zu klären. Diese hängen sowohl von den Besitzverhältnissen als auch vom Gebäude sowie der Lage ab. Wichtig ist hier vor allem eine Haushaltsrechnung, die Auskunft darüber gibt, was Sie sich finanziell leisten können.
- Regeln: Nichts funktioniert ohne Regeln. Schon gar nicht das Zusammenleben mehrerer Generationen in nur einem Haus. Das Festlegen der Regeln fängt schon bei Fragen wie der Raumaufteilung und Verhaltensregeln wie Treppenhausreinigung und Gartenpflege an. Aber auch Absprachen wie Kinder- und Hundebetreuung, Einkaufen sowie Kostenaufteilung und Verantwortlichkeiten sollten im Vorfeld bestenfalls schriftlich geregelt werden. Auch die Frage, „was passiert beim Auszug einer Partei“, darf nicht unter den Tisch fallen.
Fazit: Mehrgenerationenwohnen schafft ein Stück Zukunftssicherheit
Eigentlich ist das Mehrgenerationenhaus keine Erfindung der Neuzeit. Es ist vielmehr die Wiederentdeckung eines Konzepts, das über Jahrhunderte bzw. Jahrtausende funktioniert hat. Dementsprechend groß ist das Nutzenpotenzial in einer Gesellschaft, die immer älter wird.
Klug konzipiert ist das Mehrgenerationenhaus eine Win-win-Situation für Jung und Alt. Wichtig für die Planung sind jedoch Themen wie Barrierefreiheit und die rechtzeitige Inanspruchnahme von professioneller Hilfe bei sich abzeichnender Pflegebedürftigkeit.