Das Patientenrechtegesetz
Was Sie über das Gesetz wissen müssen
In Deutschland läuft so gut wie nichts ohne Rechte, Gesetze, Vorschriften und Verordnungen. Für die einen ist dieser Umstand typisch deutsch und zeugt von der allgegenwärtigen Versicherungsmentalität. Für die anderen wiederum ist dieses System ein Zeugnis des hierzulande stark verwurzelten Gerechtigkeitsempfindens. Vor allem im Bereich der Medizin sind Vorschriften jedoch unumgänglich. Immerhin geht es hier um die Gesundheit von Menschen.
Und einen gesunden Körper bzw. gesunde Zähne gibt es schließlich nur einmal. Damit Patientinnen und Patienten auch bei medizinischen Behandlungen auf der sicheren Seite sind, wurde das Patientenrechtegesetz ins Leben gerufen. Aber was genau hat es mit dem Patientenrechtegesetz auf sich? Und welche Rechte ergeben sich daraus für Patienten? Wir haben die wichtigsten Antworten.
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Warum hat man das Patientenrechtegesetz entworfen?
Beim Patientenrechtegesetz handelt es sich um einen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankerten Rechtstext. Dieser beinhaltet Rechte und Pflichten jedes Patienten im Kontext der medizinischen Behandlung bei Ärzten und Zahnärzten. Das mit vollem Namen als „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ bekannte Gesetz ist ein Bundesgesetz, das seit dem 26. Februar 2013 in Kraft ist.
Der Hintergrund für die Einführung des Gesetzes ist schnell erklärt: Auch wenn das deutsche Gesundheitssystem sehr leistungsstark ist und sogar als eines der besten weltweit gilt, ergeben sich häufig Probleme. Nicht selten fühlen sich Patienten in Problemfällen im Kontext von Behandlungen alleingelassen und hilflos.
Regelungen, wie sie das Patientenrechtegesetz enthält, verbessern die Patientenrechte, indem sie die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit von Patienten durch eine gesetzliche Grundlage stärken. Damit können sich Patienten und Ärzte auch im Konfliktfall auf Augenhöhe begegnen. Diese Regelungen beziehen sich vor allem auf den besseren Schutz von Patienten im Gesundheitssystem. Hinzu kommen weitreichende Rechtsgrundlagen rund um das Thema Behandlungsfehler.
Auf einen Blick – Diese Rechte haben Sie
- Behandlungsvertrag
Die Basis für jede medizinische Behandlung ist der sogenannte Behandlungsvertrag. Dabei handelt es sich um eine Aufstellung von Rechten und Pflichten, die sich auf der einen Seite für den Arzt und auf der anderen Seite für die Patienten im Rahmen einer jeden medizinischen Behandlung ergeben.
Als Patient etwa haben Sie einen Anspruch darauf, dass die zugesagte Leistung ordnungsgemäß und nach dem aktuellen medizinischen Standard erbracht wird. Im Gegenzug hat der Arzt einen Anspruch auf die vereinbarte Bezahlung für seine erbrachte Leistung.
- Information zu auftretenden Mehrkosten
Die Möglichkeiten der Medizin erweitern sich stetig und bieten Patienten immer neue Behandlungsverfahren. Leider werden viele Verfahren und Behandlungsformen nicht von der Krankenversicherung bezahlt – weder von der gesetzlichen noch von der privaten Krankenversicherung.
Das Patientenrechtegesetz sieht vor, dass Sie als Patient über die eventuell auftretenden Mehrkosten informiert werden. Wichtig ist, dass der Behandler die erwartbaren Mehrkosten genau benennt. Diese Aufklärung muss schriftlich erfolgen, eine rein mündliche Erwähnung reicht nicht aus. Diese Pflicht entfällt für den Arzt nur dann, wenn die Aufklärung durch einen akuten Notfall nicht möglich ist.
Auch wenn Sie als Patient ausdrücklich auf eine solche Aufklärung verzichten, muss der Behandler über mögliche Mehrkosten aufklären. Verzichtet der Arzt trotz Verpflichtung auf die schriftliche Bezifferung der Mehrkosten, kann er diese später auch nicht geltend machen.
- Informations- und Aufklärungspflichten
Laut dem Patientenrechtegesetz muss Sie Ihr Arzt bzw. Zahnarzt nicht nur über etwaige Mehrkosten für eine Behandlung aufklären. Auch eine allgemeine Aufklärungs- und Informationspflicht ist im Gesetz verankert. Die umfassende Aufklärung und Information zur anstehenden Behandlung muss rechtzeitig im Vorfeld erfolgen. Gleichzeitig muss der Behandler dem Patienten die Möglichkeit geben, die entsprechenden Aufklärungsunterlagen mit nach Hause zu nehmen, um in aller Ruhe die Entscheidung abzuwägen.
Wichtig ist dabei, dass die vom Arzt im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs übermittelten Informationen auch für Laien „verständlich“ sind. Verständlich meint neben der Verwendung einer patientenfreundlichen Sprache auch die Vermeidung von Fachjargon. Ziel der Beratung und Aufklärung ist es, dass jeder Patient unabhängig und selbstständig über eine Therapiemaßnahme entscheiden kann.
Info: Auszug aus dem Patientenrechtegesetz (§ 630e)
„Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.“
- Führen einer Patientenakte
Das Patientenrechtegesetz schreibt vor, dass Ärzte zu jedem Patienten eine Patientenakte führen müssen. Innerhalb dieser Akte müssen alle wichtigen Informationen zum Patienten ablegt werden. Festzuhalten sind neben Aufklärungsdokumenten, Einwilligungen und Befunden auch Dokumentationen über Eingriffe sowie deren Wirkungen bzw. Auswirkungen. Wichtig ist, dass die Dokumentation stets zeitnah und lückenlos erfolgt.
- Einsicht in die Patientenakte
Während viele Patienten wissen, dass Zahnärzte sowie anderweitige Mediziner Patientenakten führen, ist nur wenigen Patienten das im Patientenrechtegesetz verankerte Recht zur Einsicht bewusst. Grundsätzlich haben Patienten jederzeit das Recht darauf, Einsicht in ihre gesamte Akte zu nehmen.
Darüber hinaus besteht das Recht auf das Anfertigen von Kopien. Das Recht auf Einsicht spielt vor allem in Haftungs- und Streitfällen eine wichtige Rolle, wenn es etwa darum geht, einen Behandlungsfehler nachzuweisen. In einem solchen Fall ist die Patientenakte vor Gericht ein zentrales Beweismittel. Verweigert werden darf die Einsichtnahme durch den Patienten nur in absoluten Ausnahmefällen.
- Handhabung von Behandlungsfehlern
Behandlungsfehler sind der Albtraum eines jeden Patienten. Häufig gehen sie relativ glimpflich aus. In manchen Fällen haben sie jedoch erhebliche Auswirkungen. Aus diesem Grund ist auch der Umgang mit Behandlungsfehlern im Patientenrechtegesetz geregelt. Bei einem Aufklärungs- oder Behandlungsfehler ist der behandelnde Zahnarzt bzw. Arzt dazu verpflichtet, eigene oder von anderen Behandlern gemachte Fehler zuzugeben.
Im Gesetz ist dabei genaustens geregelt, wer im Rahmen dieses Prozesses was beweisen muss. Prinzipiell gilt, dass der Patient bei einem potenziellen Behandlungsfehler in der Beweispflicht ist. Unter bestimmten Umständen kehrt sich die Beweislast jedoch zugunsten des Patienten um.
Das ist der Fall, wenn der Arzt keine ausreichende Befähigung zu der durchgeführten Behandlung hatte, ein „grober Behandlungsfehler“ vorliegt oder der Fehler im Rahmen eines „voll beherrschbaren Risikos“ entstanden ist. Um einen Behandlungsfehler nachzuweisen, braucht es laut Patientenrechtegesetz ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen. Und damit noch nicht genug. Bei einer Klage auf Schadenersatz im Zuge eines Behandlungsfehlers muss die Krankenkasse Versicherte unterstützen.
Ein Gesetz nicht ganz ohne Kritik
In der Juristerei wird gerne gestritten. Da ist es kein Wunder, dass auch das Patientenrechtegesetz an mancher Stelle kritisiert wird. Dabei geht es nicht um die einseitige Parteinahme für Ärzte, sondern vielmehr darum, dass auch das Patientenwohl durch die Regeln des Patientenrechtegesetzes leiden kann. Schon ein Jahr nach Inkrafttreten kritisierte der Richter- und Staatsanwaltstag 2014 in Weimar gleich mehrere Punkte.
Viele Patienten etwa seien beispielsweise durch die verankerte Pflicht zur Offenbarung von Fehlern verunsichert. Einige Betroffene neigen zudem zu einem erhöhten Misstrauen gegenüber Ärzten, was ebenfalls nicht Sinn der Sache sein kann. Nicht gerade zuträglich ist hier die Pflicht zur Risikoaufklärung. Dabei geht es längst nicht mehr nur um substanzielle Risiken, die mit einer vergleichsweise hohen Wahrscheinlichkeit eintreten können.
Mittlerweile müssen Zahnärzte auch über Risiken aufklären, deren Eintrittswahrscheinlichkeit bei unter einem Promille liegt. Vertrauensförderung geht anders. Darüber hinaus befürchteten die Experten bereits damals, dass viele Behandlungen vermieden werden, um Klagen zu vermeiden. Ebenfalls nicht im Sinne der Patienten und der Krankenkasse ist das durch eine „Überdosierung des Rechts“ hervorgerufene Überdiagnostizieren.