Kreidezähne: Entstehung, Therapie und Prophylaxe
Es mag abwegig klingen, bei Zahnerkrankungen von Trends oder gar Modeerscheinungen zu sprechen. Doch auf den Begriff Kreidezähne trifft diese Beschreibung zweifellos zu. Von der neuen Volkskrankheit, die durch einen deutlich weicheren Zahnschmelz auffällt, sollen mittlerweile zehn Prozent der Kinder betroffen sein.
Die auch als Molare-Inzisive-Hypomineralisation (MIH) bezeichnete Zahnerkrankung führt zu ästhetischen und funktionellen Problemen, deren Behandlung in verschiedenen Stufen erfolgen kann. Eine Prophylaxe minimiert das Risiko schwerwiegender Schäden mangels Kenntnisse über die Ursachen nur in geringem Maße.
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Das Wichtigste auf einen Blick:
- Kreidezähne sind eine Volkskrankheit, unter der zehn Prozent der Kinder leiden.
- Bei den betroffenen Zähnen ist die Mineralisierung des Zahnschmelzes gestört.
- Meist zeigen die hinteren Backenzähne Auffälligkeiten.
- Die Ursachen sind noch nicht ausreichend erforscht.
- Die Behandlung reicht von Versiegelungen über Kronen bis zur Extraktion.
- Prophylaxe ist aufgrund ungeklärter Ursachen kaum möglich.
Kreidezähne als neue Volkskrankheit
Zu kaum einer Zahnerkrankung erfolgen mehr Berichte als zu den Kreidezähnen, die bei Kindern und Jugendlichen ein ernsthaftes Problem darstellen. Studien zufolge ist ein Zehntel aller Kinder von der gestörten Mineralisierung der Zähne betroffen. Der Zahnschmelz ist gelblich-bräunlich verfärbt und die Zahnoberfläche fühlt sich nicht mehr glatt an. Viel schlimmer sind jedoch der fehlende Schutz und die erhöhte Schmerzempfindlichkeit.
Der Zahnschmelz ist die härteste Substanz im menschlichen Körper und schützt den Zahnnerv. Da Kreidezähne nur etwa ein Zehntel der üblichen Härte aufweisen, ist der Zahn deutlich anfälliger für Karies und andere schwerwiegende Probleme. Hinzu kommt eine hohe Schmerzempfindlichkeit beim Zähneputzen sowie bei Hitze und Kälte. Betroffene haben zu viel Wasser und Eiweiß im Zahnschmelz, was diesen weicher macht. Außerdem fehlt der wichtige Mineralstoff Hydroxylapatit. Kinder leiden unter den Folgen und entwickeln von frühen Jahre an ein gestörtes Verhältnis zu ihren Zähnen.
„Kreidezähne sind besonders kariesanfällig und bedürfen bei schwerer Ausprägung lebenslang einer Behandlung.“
Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin bei der Barmer ERSATZKASSE
Entstehung von Kreidezähnen unklar
Die bleibenden Zähne des Menschen entwickeln sich bereits im Mutterleib, wobei dieser Prozess etwa mit dem vierten Lebensjahr endet. In dieser Zeit lagern sich Kalzium und Phosphat im Gebiss ein und härten den Zahnschmelz. Bei Menschen mit hypomineralisierten Zähnen findet dieser Prozess nur unzureichend statt, was verschiedene Ursachen haben kann. Neben einer erblichen Veranlagung vermuten Expertinnen und Experten weitere Ursachen, die sich jedoch wissenschaftlich noch nicht vollständig beweisen lassen. Folgende Faktoren werden mit der Entstehung von Kreidezähnen in Verbindung gebracht:
- Erbliche Veranlagung
- Krankheit während der Schwangerschaft
- Häufiger Gebrauch von Antibiotika
- Komplikationen bei der Geburt
- Krankheiten des Kindes wie Bronchitis, Asthma oder Windpocken
- Umweltgifte wie Weichmacher in Kunststoffen
Bisphenol A
Die Industriechemikalie Bisphenol A kommt seit den 1960er Jahren bei der Herstellung von Kunststoffen zum Einsatz. Sie ist in Plastikflaschen, Lebensmittelverpackungen oder Konservendosen enthalten. Dabei steht Bisphenol A im Verdacht, das Hormonsystem zu beeinflussen, was zu Hormonstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Entwicklungsstörungen führen kann. In einigen Ländern ist BPA daher in Produkten für Babys und Kleinkinder verboten.
Die Behandlung von Kreidezähnen
Die schlechte Nachricht vorweg: Angeborene Kreidezähne können auch die besten Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht heilen. Aus diesem Grund besteht die Behandlung in der Zahnarztpraxis aus einer intensiven Prophylaxe, die meist mit dem Auftragen von Fluoridlack beginnt. Weisen die Zahnoberflächen zusätzlich Fissuren auf, können diese mit einem speziellen Kunststoff versiegelt werden. In schwerwiegenderen Fällen ist eine Füllungstherapie notwendig, wenn beispielsweise der Zahnschmelz abgeplatzt ist. Auch eine Überkronung der kaputten Zähne oder sogar eine Extraktion ist möglich.
Laien können den Schweregrad von Kreidezähnen an der Größe und Farbe dunkler Flecken auf der Zahnoberfläche erkennen. Da die ersten bleibenden Zähne in der Regel mit sechs Jahren durchbrechen, ist ab diesem Alter besondere Vorsicht geboten. In der Zahnarztpraxis beginnt dann die Vorsorgeuntersuchung auf Kreidezähne. Am häufigsten sind im Übrigen die hinteren Backenzähne betroffen, daher auch der Fachbegriff Molare-Inzisive-Hypomineralisation.
Kann man Kreidezähnen vorbeugen?
Häufig verbindet der Volksglaube eine schwache Einkommensschicht mit der Entstehung von Kreidezähnen, sodass die Erkrankung oft als Problem der eher ärmeren Bevölkerung abgetan wurde. Untersuchungen zeigen jedoch, dass ein solcher Zusammenhang nicht besteht. Auffällig ist jedoch, dass Mädchen häufiger betroffen sind als Jungen und dass es starke regionale Unterschiede gibt, wie die Grafik zeigt.
Aus diesem Grund und weil die Ursachen noch nicht eindeutig geklärt sind, ist eine Prophylaxe gegen Kreidezähne kaum möglich. Ist eine Ursache unbekannt, ist es schwierig, sie zu bekämpfen. Eltern können die üblichen Vorsichtsmaßnahmen treffen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
- Gesunde Lebensweise während der Schwangerschaft
- Verzicht auf Plastikspielzeug im Kleinkindalter
- Regelmäßige Kontrolltermine beim Zahnarzt gemäß Prophylaxepass
- Tägliche häusliche Zahnpflege ab dem ersten Zahn
- Regelmäßige Fluoridierung nach Empfehlung des Zahnarztes
- Einhaltung einer zahngesunden Ernährung
- Verzicht auf zuckerhaltige Getränke
Zahnärztlicher Prophylaxe-Pass
Das gelbe Untersuchungsheft ist auch Kinderlosen ein Begriff. Der zahnärztliche Prophylaxe-Pass, der das U-Heft ergänzt, ist dagegen meist nur den Eltern bekannt. In diesen Pass trägt der Zahnarzt die Früherkennungsuntersuchungen und Fluoridierungsmaßnahmen ein. Bis zum 33. Lebensmonat sind im Prophylaxe-Pass drei Früherkennungsuntersuchungen vorgesehen. Danach sollte halbjährlich eine zahnärztliche Untersuchung erfolgen.
FAQ:
Kreidezähne
Weitere wichtige Fragen und
Antworten auf einen Blick
Die Behandlung von Kreidezähnen hängt stark von der Schwere des Falles ab, was auch die Kosten kaum kalkulierbar macht. Eine Kariesbehandlung wird von der Krankenkasse übernommen. Bei vorbeugenden Maßnahmen wie einer Fissurenversiegelung sollte die Kostenübernahme vorab geklärt werden. Eine notwendige Versorgung mit einem Zahnersatz zahlt die Kasse nur im Rahmen des Leistungskatalogs, wobei die Eltern einen Eigenanteil zahlen müssen.
Kreidezähne gibt es auch im Milchgebiss, hier wird die Erkrankung als MMH (Milchmolaren-Hypomineralisation) bezeichnet. Die Milchzähne sind von den gleichen Symptomen betroffen und entsprechend anfällig für Karies.
Um den Schweregrad von Kreidezähnen zu bestimmen, verwenden Zahnärztinnen und Zahnärzte einen Index. Dieser wird in fünf Kategorien eingeteilt. Der Wert 0 bedeutet, dass keine MIH vorliegt. Der Indexwert 1 beschreibt eine MIH ohne Symptome. MIH ohne Überempfindlichkeit mit Substanzdefekt wird mit dem Indexwert 2 bezeichnet. Indexwert 3 steht für MIH mit Hypersensibilität ohne Substanzdefekt. Indexwert 4 ist die höchste Ausprägung mit beiden Symptomtypen.