Stress als Ursache für schlechte Zähne?
Stress und die Zahngesundheit haben auf den ersten Blick nicht viele Gemeinsamkeiten. Schlechte Zähne und eine unzureichende Mundhygiene sind jedoch durchaus eine nicht seltene Begleiterscheinung bei gestressten Menschen. Dies hat mehrere Gründe, die zum einen auf Veränderungen im Körper und zum anderen auf die fehlende Zeit für die Mundhygiene zurückzuführen sind. Wie sich Stress genau auf die Zähne auswirkt und was Betroffene unternehmen können, wollen wir uns näher anschauen.
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Was verstehen wir überhaupt unter Stress?
Stress ist eine Form von Anspannung und Druck, die der Mensch von außen oder von innen erfährt. Kurzfristig ist Stress unproblematisch und sogar positiv, da der Körper auf die jeweilige Situation reagiert. Problematisch ist chronischer Stress, der den Betroffenen in einen Dauerzustand der Anspannung versetzt.
Dabei gibt es keine spezifischen Messgrößen oder Schwellenwerte für Stress, ab denen ein Mensch als „krank“ gilt. Stress ist vielmehr eine persönliche Wahrnehmung, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein kann. Wenn sich Menschen jedoch ständig unter Zeitdruck oder anderen Anspannungen fühlen und bereits typische Stressfolgen erkennbar sind, spricht man von chronischem Stress, den medizinisches Fachpersonal unbedingt behandeln sollte.
Die Auswirkungen von Stress auf die Zahngesundheit
Stress kann sich auf verschiedene Weise auf den menschlichen Körper auswirken: Betroffene leiden unter anderem unter Kreislaufproblemen, Kopfschmerzen oder Muskelverspannungen. Auch Schlafstörungen und psychische Probleme schwächen auf Dauer die Gesundheit, sodass ein stressfreieres Leben das Ziel sein sollte. Im Bereich der Zahngesundheit lassen sich stressbedingte Probleme in fünf Bereiche unterteilen, die wir im Folgenden vorstellen.
Bruxismus
Das sogenannte Zähneknirschen gilt als die häufigste Auswirkung von Stress auf die Zahngesundheit. Stress an sich kann sich auf die Muskulatur auswirken, die sich bei Anspannung zusammenzieht. Bei dauerhaften Verspannungen im Kieferbereich kommt es zum unwillkürlichen Knirschen und Pressen der Zähne.
Die Kaumuskulatur steht unter ständiger Anspannung, was zu einer übermäßigen Abnutzung der Zahnoberflächen führt. Dies geschieht vor allem nachts, obwohl keine Kau- oder Sprechbewegungen stattfinden. Eine zweite stressbedingte Ursache für Bruxismus ist die mögliche Beeinflussung des zentralen Nervensystems. In einem gestressten Zustand verlieren die Betroffenen die einhundertprozentige Kontrolle über alle Hirnregionen, sodass es zu einer erhöhten Aktivität in einzelnen Teilbereichen kommen kann, wodurch das Gehirn unbewusst das Signal zum Reiben oder Pressen der Zähne versendet.
Zahnverschleiß bei Bruxismus
Das ständige Reiben und Pressen der Zähne wirkt sich nachteilig auf den Zustand der Zähne aus. Durch die Abnutzung der Zahnoberflächen verkürzen diese und flachen ab, was das Kauen erschwert. Noch gravierender sind die Risse und Brüche, die dauerhaft im Zahnschmelz entstehen und ein leichtes Einfallstor für Karies bilden.
Außerdem verursacht Bruxismus Schmerzen, da die Nerven im Zahn nach und nach betroffen sind. Nicht zuletzt stellt das Zähneknirschen eine ständige Gefahr für einen eventuell vorhandenen Zahnersatz dar. Füllungen, Brücken oder Implantate können sich bei übermäßiger Reibung lockern.
Entzündungen des Zahnfleisches
Stress kann durch seine Auswirkungen auf das Immunsystem zu Zahnfleischentzündungen (Gingivitis) führen. Mediziner:innen begründen dies damit, dass Betroffene vermehrt Cortisol und Adrenalin freisetzen. Diese Hormone unterdrücken Entzündungsreaktionen im Körper, indem sie die Produktion weißer Blutkörperchen beeinflussen.
Sinkt die Zahl der Immunzellen jedoch stressbedingt über einen längeren Zeitraum, stellt das Immunsystem seine Arbeit zunehmend ein. Kleinere Entzündungen kann der Körper nicht mehr ausreichend regulieren, sodass bereits wenig Plaque zu einer schweren Gingivitis führen kann.
Karies
Speichel ist ein wichtiger Bestandteil einer ausgewogenen Mundhygiene. Da aber bei gestressten Menschen das sympathische Nervensystem ständig überaktiv ist, mobilisiert der Körper automatisch seine Energien. Die Folge ist eine verminderte Speichelproduktion, die den Zähnen stark schadet.
Der Speichel sorgt auf dreifache Weise für eine ausgewogene Mundhygiene. Die Flüssigkeit spült Bakterien aus der Mundhöhle und die im Speichel enthaltenen Bikarbonate und Phosphate binden schädliche Säuren. Die wohl wichtigste Funktion ist jedoch die Remineralisierung des Zahnschmelzes, die bei fehlendem Speichel ausbleibt. Ein geschwächter Zahnschmelz bietet ein Einfallstor für Bakterien, die so an das wichtige Dentin im Zahn gelangen.
Der Aufbau unserer Zähne
Zähne bestehen aus Zahnschmelz, Zahnbein (Dentin) und Zahnmark (Pulpa). Der Zahnschmelz ist die äußere Schicht, die das härteste Material im menschlichen Körper darstellt. Darunter befindet sich die dickste Schicht, das Dentin.
Darunter wiederum verbirgt sich mit der Pulpa das Innere des Zahnes, das mit Blutgefäßen und Nerven ausgestattet ist. Ist das Dentin oder gar die Pulpa freiliegend, erfolgt eine Behandlung durch das Fachpersonal in der Zahnarztpraxis.
Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)
Hinter dem sperrigen Begriff und seiner Abkürzung TMD verbirgt sich eine Störung des Kiefergelenks, die Stress als Ursache haben kann. Die Muskeln und das Gewebe rund um das Kiefergelenk funktionieren bei Menschen mit TMD nicht richtig.
Die Folge sind Schmerzen, Knacken oder Knirschen im Kiefer. Durch die Fehlfunktion kommt es aber auch zu unbewussten Kieferbewegungen, die zu einem ständigen Mahlen und Pressen der Zähne führen. Dies fördert letztlich die gleichen Probleme wie der Bruxismus.
Nachlassende Mundhygiene
Gestresste Menschen leiden unter Zeitmangel, wodurch sich ihr Alltag verändert. Die Prioritäten verschieben sich und gerade die Mundhygiene kann schnell darunter leiden. Dabei ist tägliches Zähneputzen sehr wichtig, denn es entfernt Zahnbeläge aus Bakterien und Speiseresten, bevor sich Karies und Zahnstein bilden können.
Außerdem erhalten die Zähne durch das Fluorid in der Zahnpasta einen wichtigen Baustein zur Remineralisierung zurück. Gestresste Menschen schränken aber nicht nur die Mundhygiene ein, sondern ändern oft auch ihre Essgewohnheiten. Dabei hat Fast Food deutlich schlechtere Auswirkungen auf die Zahngesundheit als eine ausgewogene Ernährung.
Gesunde Ernährung für die Zähne
Eine zucker- und kohlenhydratreiche Ernährung ist schlecht für die Zahngesundheit. Denn die Bakterien im Speichel wandeln Zucker und Kohlenhydrate in Säure um, die wiederum den Zahnschmelz schwächt. Gemüse, Vollkornprodukte oder eiweißhaltige Lebensmittel hingegen führen nicht zu einer solchen Säurebildung. Milchprodukte oder Nüsse können den Zahnschmelz sogar stärken.
Eine Linderung der Beschwerden reicht nicht aus
Das zahnärztliche und kieferorthopädische Fachpersonal hat für jede Auswirkung von Stress auf die Zahngesundheit eine Lösung. So gibt es spezielle Schienen gegen Bruxismus und TMD, eine Mundspülung mit Antibiotika hilft bei einer fortgeschrittenen Zahnfleischentzündung.
Alle Behandlungen bekämpfen jedoch nur die Auswirkungen des Stresses, weshalb die Zahnärztin oder der Zahnarzt häufig auf die Hilfe von Kolleg:innen anderer medizinischer Fachrichtungen angewiesen ist. Zur Behandlung und Bewältigung von Stress sollten Betroffene ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt aufsuchen und ihre Probleme schildern. Dort erfolgt die eigentliche Bekämpfung der Ursachen des Stresses. Folgende weiterführende Maßnahmen können helfen:
Techniken zur Stressbewältigung
Wenn die Ursache von Stress sich nicht direkt beseitigen lässt, helfen Stressbewältigungstechniken zumindest, die chronische Belastung vom Körper zu nehmen. Techniken wie Muskelentspannung, Atemübungen, Yoga oder Meditation bauen Stress ab. A
Auch eine kognitive Verhaltenstherapie, über die sich negative Denkmuster in gesunde Bewältigungsstrategien umwandeln lassen, kann helfen. Alternativ sind ein Zeitmanagement-Coaching oder Ausdauersport wirksame Methoden, die es auszuprobieren lohnt.
Psychotherapie
Gemeinsam mit einem Therapeuten ermitteln Betroffene ihre persönlichen Stressoren und arbeiten daran. Oft liegen die Ursachen für Stress tief in der Persönlichkeit. Der Therapeut vermittelt neue Denk- und Verhaltensmuster, mit denen die Betroffenen die Stressoren effektiv angehen können. Zur Psychotherapie gehören auch Techniken zur Stressbewältigung, die die Betroffenen in den Therapiestunden erlernen.
Pharmakologische Behandlung
Mediziner:innen haben die Möglichkeit, Medikamente gegen Stress zu verschreiben. Dazu gehören Benzodiazepine, die beruhigend und angstlösend wirken. Gegen Depressionen helfen Antidepressiva, die unter anderem Stress abbauen. Auch Betablocker können helfen, die Stresshormone im Körper zu reduzieren.
Wenn Betroffene diese Medikamente ablehnen, können sie auf pflanzliche Mittel zurückgreifen. Dazu gehören Baldrian, Johanniskraut oder Passionsblume. Die medikamentöse Behandlung ist eng mit der Ärztin bzw. dem Arzt abzustimmen.
Änderung der Lebensweise
In den meisten Fällen ist eine Änderung der Lebensweise die beste Lösung für Stress. Allerdings ist dies auch die schwierigste Methode. Kommt der Stress aus dem beruflichen Umfeld, ist ein klärendes Gespräch mit dem Vorgesetzten unumgänglich, was im schlimmsten Fall zu einem Arbeitsplatzwechsel führen kann.
Auch das familiäre Umfeld und der Haushalt können zu dauerhaftem Stress führen. Ein Elterncoaching, eine Haushaltshilfe oder eine veränderte Aufgabenverteilung im Haushalt können helfen, den Stress zu bewältigen. Wenn klar ist, aus welchem Umfeld der Stress kommt, lässt sich durch Kommunikation und Veränderung meistens eine Lösung finden.